23.05.2018,
majortom:
Das Pässequartett der Drome Provençale. Wir haben die Reise zwar erst seit vergangenem Jahr im Programm und fahren diese Etappe jetzt zum zweiten Mal, aber sie hat sich dennoch inzwischen als echter Buis-Klassiker etabliert. Eine schöne Runde über vier schöne Pässe, von denen jeder seinen ganz eigenen Reiz hat. Eine phänomenale Dramaturgie, denn jeder Pass ist ein wenig höher als der vorangegangene, das Quartett endet am Col de Perty auf knapp 1300 Metern Höhe, und danach fehlt nur noch eine 30 km lange Anfahrt nach Buis – zum Genießen.
Soweit die Theorie. Inwieweit diese Rechnung aufgeht, wird sich wohl vor allem dadurch entscheiden, ob wir vor oder nach dem obligatorischen Nachmittagsgewitter wieder zurück sind. Um es vorwegzunehmen: die entspannte Gruppe gewinnt das Wettrennen und ist rechtzeitig wieder in Buis. Inzwischen scheint auch wieder die Sonne, und ab morgen übernimmt dann das sehnsüchtig erwartete stabile Hochdruckgebiet mit Sonne und sommerlichen Temperaturen.
Wir starten wieder mal um 8 Uhr 30. Da Tom heute wieder einsatzklar ist (ein Hoch auf dessen Immunsystem), sind wir heute auch wieder in drei Gruppen unterwegs, so dass wir alle, die auch noch die Verlängerungsoption über den Col de Negron fahren wollen, in der wieder guidebestückten sportiven Gruppe unterbringen können. Es kommt so zu ein wenig Gruppenshuffling, so dass ich mit sechs hochmotivierten Mitstreitern unterwegs bin. Die stärkste Fraktion ist sowieso die von Paul betreute entspannte Gruppe, die inzwischen auch so sehr zusammen gewachsen sind, dass kein Gruppenmitglied mehr abgeworben werden kann.
Pass eins:
Col de Fontaube. Gleich nach der Abzweigung von der im Ouvèze-Tal verlaufenden Straße erteile ich die Freigabe. Fahren will keiner. "Es ist doch eh noch flach", meint Gerhard. Stimmt, der erste Pass beginnt ganz zahm und wird auch im Schlussstück nicht mehr wirklich steil. Eine Auffahrt zum Genießen: die Fotoapparate werden gezückt, sobald zum ersten Mal die Nordflanke des Ventoux vor uns prangt – fast zum Greifen nahe aus dieser Perspektive. Was ich dagegen verdrängt hatte, waren die schönen Felsformationen, zwischen denen es hindurch geht. Fontaube macht Spaß.
Pass zwei:
Nach Abfahrt Richtung Montbrun-les-bains geht es in den Col de Macuègne, von Kulturattaché Gerhard (und von mir auch) mit vielen Vorschusslorbeeren ausgestattet. Wir werden nicht enttäuscht. Schön trassiert schlängelt sich die Straße den steilen Hang hoch, mit wiederum tollen Ausblicken auf den Ventoux, der inzwischen leider ein Wolkenkleid angelegt hat. Ich verquatsche mich etwas, so dass ich ganz vergesse, mich auch mal in Richtung Grupetto zurückfallen zu lassen, doch die Abstände sind in der sehr harmonischen Gruppe sowieso nur gering. Zum ersten Mal auf unserer Tour durchbrechen wir die 1000-Meter-Marke.
Zwischenspiel:
Die Abfahrt rollte fantastisch, und wir erreichen Sederon. Heute Mittagspause also schon um 11 Uhr, da es hinter Sederon keine weitere Verpflegungsmöglichkeit mehr gibt. Der Bäcker wird geplündert, und wir haben wohl Glück, dass wir die erste Gruppe sind, die heute hier einfällt. Als wir und gemütlich auf dem Dorfplatz vor der Kirche niederlassen, ist die Auslage des Bäckers fast schon leer. Da jetzt immer mehr Wolken aufziehen, drängt es den einen oder anderen zum schnellen Aufbruch, und der Guide fügt sich.
Pass drei:
Bert übernimmt das Kommando und fährt uns an der Spitze des Feldes mit hoher Geschwindigkeit das Méouge-Tal hinunter. Zumindest bis wir auf die schmale Straße einbiegen, die zum Col Saint Jean hochführt. Ich habe ihn als den steilsten Pass des Tages angekündigt, aber das ist ja wie immer relativ. Auch der Saint Jean rollt gut, und die Straße schlängelt sich malerisch zwischen den Felsen empor. Den Zweikampf mit einer belgischen Rennradgruppe verlieren wir zwar wohl nach Punkten, aber so kommt es immerhin zu einer interkulturellen Begegnung auf der Passhöhe. Dankenswerterweise entstehen so ein paar von einem freiwilligen belgischen Fotografen geschossene Gruppenfotos. Leider sieht man die Hochalpen heute nicht, da sie in den Wolken stecken.
Pass vier:
Die Gruppe trifft sich nach der Abfahrt wieder am Brunnen in Laborel. Letzter Pass, die letzten Kräfte mobilisieren. Aber das ist eigentlich gar nicht nötig, denn auch der Col de Perty ist nur mäßig steil, liegt völlig einsam und ist landschaftlich einfach sehr schön – mit immer besser werdender Aussicht nach Osten. Hinter dem Pass im Ouvèze-Tal scheint auch das Wetter wieder besser zu sein, und kurz darauf sind wir auch auf der Ostseite wieder in der Frühlingssonne unterwegs. "Du kannst ruhig vorfahren", heißt es im Grupetto, also fahre ich auch diesen Pass in der Spitzengruppe. Und ehe wir uns versehen, sind wir auch schon oben angekommen, sehen über die Baronnies und wiederum bis zum Ventoux-Massiv. Den Perty mag ich einfach.
Epilog:
32 Kilometer Abfahrt. Mit gutem Tempomanagement. Dann noch die schöne Tunnelumfahrung oberhalb des verengten Ouvèze-Tals kurz vor Buis. Ein traumhafter Rennradtag in der Drome Provençale.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Ein Buis-Klassiker. Das Pässequartett der Drome Provençale. Vier Pässe, jeder ein wenig höher als der vorangegangene, zum Abschluss der 1302 m hohe Col de Perty, der mit Ventoux- und Hochalpen-Panorama von der Passhöhe eindeutig ein Highlight der Region ist. Keine leichte Etappe, aber sie lohnt sich! Der erste Pass ist der Col de Fontaube auf der Nordseite des Ventoux-Massivs, schöne Ausblicke auf den Giganten. Der zweite Pass ist der schön trassierte Col de Macuègne, der uns ins Méouge-Tal führt. Der dritte Pass ist der Col Saint-Jean, zwar der steilste des Tages aber dennoch gemächlich, durch schöne Felslandschaften führend. Und dann der Perty als Nummer vier, mit schon etwas schweren Beinen vielleicht härter erscheinend als er wirklich ist, aber die einsame Passstraße und das Hochalpenpanorama beflügeln ja... Und als Sahnehäubchen dann die lange rauschende Abfahrt durchs Ouvèze-Tal. Eine tolle Provence-Etappe weit abseits der überlaufenen Ventoux-Routen.