11.09.2017,
majortom:
Saint-André-les-Alpes, Montag Abend. Wiederum sind alle Teilnehmer, Guides und Erichs gut und glücklich am Hotel angekommen, wieder zufriedene Gesichter wohin man blickt, wieder eine großartige Etappe, die hinter uns liegt, diesmal durch die großartige Haute-Provence. Ich muss gestehen, ich hatte ziemlichen Bammel vor der Etappe, war sie schließlich ohne eigene Ortskenntnis und nur mit Hilfe den quäldich-Kollektivs geplant. Zieht man allerdings in Betracht, dass die ehrenamtlichen Etappenberater die Entdecker-Champions und Flatbar-Twins aus dem Allgäu sind (herzliche Grüße und vielen Dank an dieser Stelle an
Ulrich und
Jürgen), wusste ich ja, dass ich mein vollstes Vertrauen in sie setzen kann. Der virtuelle Daumen hoch wurde also in eine sensationelle Etappe über Col de Font-Belle und Col de Corobin umgesetzt.
In Sisteron müssen wir nochmal durch den Tunnel, dann hinab zur Durance, die Felsen links und rechts des Durance-Durchbruchs bewundern, und dann auch schon in den ersten Pass. Über 20 km bergauf, unterbrochen durch eine kleine Zwischenabfahrt. Das ist ein Wort, auch wenn es letztendlich auch nur auf knapp über 1300 m geht. Die Auffahrt beginnt idyllisch schön, glücklicherweise in der Morgensonne, und die Landschaft wird von unten nach oben immer sensationeller. Die schönen Ausblicke auf Sisteron mit seiner Zitadelle, die Schlucht Défilé de la Pierre Ecrite (was genau der römische Präfekt in den Felsen gemeißelt hat, erfahren wir leider nicht, aber vermutlich handelt es sich eh nur um weltfremdes neunmalkluges lateinisches Geblubber wie Veni, vidi, vico oder Ceterum censeo oder sowas), die imposanten Karstfelsen, die tollen Ausblicke über die Voralpen, die ausgewaschenen Sandsteinfelsen, die teils spektakuläre Straßenführung... dieser Pass hat wirklich alles, was man sich wünscht. Ein absoluter Geheimtipp, und vielleicht sollten wir das nicht so laut sagen, sonst ist es bald kein Geheimtipp mehr...
Auch die Abfahrt ist sehr schön, allerdings war meine Ansage bezüglich des Sammelpunktes missverständlich, so dass ein Teil meiner entspannten Gruppe im Temporausch daran vorbei fliegt. So kommen nur drei Gruppenmitglieder in den Genuss des Zwischenpasses, während ich den Rest einsammle und dann im Tal nach Digne lotse, wo die Mittagspause wartet. Erich lässt sich einmal mehr nicht lumpen, sucht jedoch immer noch nach einem Becherspülpraktikanten.
Die Passage durch Digne entpuppt sich als die anstrengendste, zumindest für den Kopf. Untaugliche Radwege, drängelnde Autofahrer, ein Hauch von Stadtverkehr. Doch sobald wir draußen sind und Richtung Col de Corobin fahren, hat sie uns wieder, die völlig einsame Hochprovence mit ihren schmalen Straßen durch wunderschöne Voralpenlandschaft. Wegen solchen Erlebnissen haben wir diese Reise geplant!
Der Corobin beginnt harmlos, doch mit dem ersten Serpentinenstück zieht auch die Steigung an und erreicht auch mal den zweistelligen Bereich. Provenceuntypisch, aber wir wollen nun mal hier drüber. Die schönen Kiefernwälder, die wir durchfahren, und die umgebenden Karstfelsen entschädigen uns. Bald schon ist ein erster Zwischenpass erreicht, es folgt ein Flachstück, und dann fehlt nur noch das Schlussstück an den schwarzen ausgewaschenen Felsen vorbei, das Stück mit der bislang höchsten Serpentinität der Reise.
Abfahrt ins Asse-Tal, Kaffeepause (von Schummi quasi-demokratisch durchgesetzt), und dann fehlt nur noch der Col des Robines, der trotz Nationalstraße weniger befahren ist als befürchtet und uns so auch nicht mehr aufhalten kann. Wir genießen den Rest-Nachmittag im schönen Hotel (auch dieses übertrifft bislang alle Erwartungen) und freuen uns auf das Abendessen im Dorfkern.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Auf der zweiten Etappe dringen wir in die unbekannten, einsamen Gegenden der Hochprovence vor. Zwei landschaftlich schöne Pässe stehen im Weg, Col de Font-Belle und Col de Corobin.
Übergangsetappe... So ist man versucht, mit einem Achselzucken die heutige Etappe abzuhandeln. Wer hat schließlich schonmal vom Col de Font-Belle gehört? Vom Col de Corobin? Wir wollen ganz ehrlich sein, wegen diesen Pässen nimmt sicher keiner die lange Reise bis in die Provence auf sich. Doch gerade das macht den Reiz aus, die unbekannte, ja fast schon unberührte Landschaft, die wilde Einsamkeit. Und der eine oder andere mag am Ende des Tages vielleicht beschließen, gerade werden dieser unbekannten Pässe, die es hier in Vielzahl gibt, noch einmal die Provence anzusteuern. Wie dem auch sei, von Sisteron aus geht es sofort in den ersten Pass hinein, den Col de Font-Belle. Die Steigung ist provencetypisch eher mäßig, umso mehr Zeit hat man, sich an der einzigartigen Landschaft zu erfreuen. Wir durchfahren die Défilé de la Pierre Ecrite, wo sich ein römischer Präfekt mit einer Inschrift auf den Felsen verewigt hat, und genießen die spektakulären Felsen an der Passhöhe. Auf der Abfahrt ist dann der Col de Bonnet zwischengeschaltet, der uns nach Digne-les-Bains führt. Nahtlos geht es weiter in den Col de Corobin, dessen Felslandschaften ebenfalls das Prädikat „spektakulär“ verdienen. So erreichen wir das Asse-Tal, dem wir flussaufwärts folgen bis in den Etappenort Saint-André-les-Alpes, schön an einem Stausee gelegen. In dieser abgelegenen Gegend heißt es ein wenig enger zusammenzurücken – alle sind heute in Zweibettzimmern untergebracht.
Option: Vom Zielort Saint-André führt die Route du Chalvet bis auf etwa 1600 m Höhe – eine explorative Option, die mit etwa 700 Höhenmetern zu Buche schlägt.