10.09.2017,
majortom:
Hezlich willkommen zur Berichterstattung aus den provenzalischen Alpen. Während zuhause der Herbst wütet, zögern wir den Sommer noch ein wenig heraus und genießen die für viele vermutlich letzten Sommertage dieses Jahres unter südlicher Sonne. Wobei gestern bei der Anreise nach Orange eher den Scheibenwischern zuschauen angesagt war - dafür ist heute morgen pünktlich die Sonne herausgekommen und beschert uns allen Prognosen zufolge einen recht sonnigen Tag, wenn auch nicht mehr ganz bei hochsommerlichen Temperaturen.
Es geht los durch die Ebene des Rhonetals. Leider in nordöstlicher Richtung, während der Mistral erbarmungslos aus Norden bläst. So werden die ersten zwanzig Kilometer bis Vaison-la-Romaine ganz schön hart, und wir nehmen nur am Rande die schöne Weinberglandschaft und die Ausblicke auf die imposanten Dentelles de Montmirail wahr. Fotos gibt es von diesem Abschnitt auch keine - man traut sich nicht, eine Hand vom Lenker zu nehmen. Als ich dann in Vaison mitteile, das wir den anstrengendsten Abschnitt der Etappe schon hinter uns haben, ernte ich nur Gelächter, dabei habe ich es genau so gemeint.
In Vaison bewundern wir kurz die römische Brücke und die mittelalterliche Altstadt auf dem Hügel, dann geht es weiter das Ouvèze-Tal hinauf, glücklicherweise nun deutlich windgeschützter. Ab hier haben wir Heimspiel, da wir in das Territorium unserer Trainingswoche in der Provence, (
nächste Ausgabe Mai 2018) vordringen. Es geht auf den Bahntrassenradweg bis Mollans-dur-Ouvèze, dann auf die Landstraße und über den Col St. Michel-Nupsi (KOM: Tom) bis Buis-les-Baronnies, dem Standort unserer Trainingswoche im Mai, dann durch den hübschen Ouvèze-Durchbruch und die Olivenhaine. Der unbeleuchtete Tunnel wird umfahren, und wir erreichen schließlich auch den Mittagspausenspot am Erichcruiser mit gewohnt opulentem Erichbuffet.
Erfreulicherweise hat meine Ansprache gestern, in der ich vehement dazu geraten haben, die nun folgenden Pässe Perty und Saint-Jean
nicht abzukürzen, gefruchtet, denn auch meine entspannte Gruppe spricht sich einstimmig für die Regelvariante der Etappe aus. Sehr schön. Also brechen wir auf in den Col de Perty, einer meiner Lieblingspässe der Region, weil er sehr schöne Blicke auf das Ouvèze-Tal zurück bietet und mit 1300 m Höhe zumindest ein wenig alpinen Flair vermittelt. Leider hängt das Mont-Ventoux-Massiv noch in den Wolken, doch in Richtung Osten genießen wir die schönen Blicke von der Passhöhe in Richtung der Hochalpen.
Eine rüttelige Abfahrt später sind wir in Laborel, wo es nahtlos übergeht in den zweiten Anstieg des Tages, den Col Saint-Jean. Er ist kürzer und niedriger als der Perty, dafür aber auch ein wenig steiler. Doch er lässt sich gut fahren, bietet wieder Ausblicke Richtung Hochalpen und mit seinen Kiefernwäldern auch irgendwie ein südliches Flair. Die Südseite mit der Felslandschaft und der schön trassierten Straße ist die Schokoladenseite des Passes, und wir finden auch alle den Abzweig, der eine Abkürzung ins Méouge-Tal darstellt.
Damit geht es von nun an praktisch nur noch bergab, und wir können diese lange Auftaktetappe einigermaßen gemütlich ausrollen lassen. Allerdings wartet mit der imposanten Méouge-Schlucht auch noch ein touristisches Highlight auf uns - einige sagen, es sei sogar der Höhepunkt der Etappe gewesen. Sämtliche Kaffeestop-Avancen werden dann vom Ensemble abschlägig beschieden, und so cruisen wir die restlichen Kilometer nach Sisteron. Mit überlegenem Tempo- und Windschattenmanagement von Schummi und weniger überlegenem Management vom doch recht angeknockten Berichterstatter. Auch die Kirmes in Ribier kann uns nicht aufhalten, und schon bald erscheint die Zitadelle von Sisteron vor uns. Da alle nur noch ins Hotel wollen, entfällt der Fotostopp am Durance-Durchbruch (O-Ton Tilmann: das Foto findest du in jedem Provence-Kalender). Macht aber nichts, da fahren wir morgen schließlich nochmal lang.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Die erste Etappe ist zwar ungewöhnlich lang, weiß jedoch mit der schönen Anfahrt durchs Ouvèze-Tal, dem herrlichen Col de Perty und dem Col Saint-Jean zu gefallen. Etappenziel ist Sisteron.
Wir beginnen unsere einwöchige Rundtour durch die Provenzalischen Alpen im Römerstädtchen Orange. Vielleicht hatten wir am Vorabend noch die Gelegenheit, das antike Amphitheater zu besichtigen; jetzt geht es allerdings los mit dem Rennrad. Die ersten Kilometer durchs Comtat sind flach – und könnten sehr heiß werden. Östlich baut sich das Massiv des Mont Ventoux vor uns auf; den Giganten sparen wir uns jedoch für die Schlussetappe auf. Wir erreichen beim bekannten Weinort Rasteau das Ouvèze-Tal, das uns die erste Tageshälfte begleiten wird, und überfahren in Vaison-la-Romaine eine antike römische Brücke. Dann wird es so langsam gebirgiger um uns herum, und auf unserer Fahrt nach Osten ändert sich das Landschaftsbild ständig. Erst geht es durch die Olivenhaine um Buis-les-Baronnies, dann verengt sich das Tal schluchtartig, dann kommen Obstplantagen und Lavendelfelder, und schließlich wird es am Col de Perty richtig alpin. Hier genießen wir einen schönen Blick zurück auf den Ventoux und einen ebenso schönen Blick voraus auf die Hochalpen. Nach dem Col de Perty will mit dem Col Saint-Jean noch ein zweiter Pass überwunden werden, der zwar kurz ist, die müden Beine aber nochmal fordern kann. Eine lange Abfahrt durch die herrliche Méouge-Schlucht und entlang des Buëch trennt uns dann noch vom Tagesziel in Sisteron, gelegen am Durance-Durchbruch und gekrönt von einer eindrucksvollen Zitadelle.
Variante: Etwas kürzer und entspannter kann man die Auftaktvariante gestalten, indem man eine südlicher verlaufende Route über den Col de Fontaube, Col de Maguègne und Col de la Pigière wählt. Sie kommt auf 121 km / 1700 Hm.