Eine wunderbare Etappe auf schmalsten Straßen, durch tiefen, lichten Wald, über sanfte Berge und felsbewehrte Lichtungen des Pfälzer Waldes liegt hinter uns. Der einzige steile Anstieg des Tages steht gleich zu Beginn an, der Liebfrauenberg, an dessen Kapelle uns ein frisch aufgeschüttetes Kiesbett erwartet. Die Steine scheinen ziemlich scharf, wir mogeln uns irgendwie drüber. Schon kommt Gruppe 2 von hinten, und wir stürzen uns in die sanfte Abfahrt. Ebenso sanft geht es gleich wieder hinauf über Böllenborn, und dann hinunter ins Wieslauter Tal, dem wir bis Niederschlattenbach folgen.
In Niederschlattenbach führt die kurze Variante geradeaus, aber Peter hat angekündigt, dass die 7 km nun anstehenden Umwegs mit zum Schönsten gehört, was die Pfalz zu bieten hat. Also fahren alle Gruppen bis auf Peters rechts weg nach Erlenbach. Bis hier führt die Etappe über Landstraßen, über die unsere kleine sportive Gruppe gut rollt, nur Morten ist wieder schwer zu bremsen, besonders bergab scheint er sein fehlendes Gewicht mit Attacken überkompensieren zu müssen. In Erlenbach verlassen wir die Hauptstraße und fahren fortan auf schmalsten Straßen durch dichten Wald. Über sonnendurchflutete Lichtungen, an roten Felsen vorbei. Es ist wirklich traumhaft schön hier. Dass wir hier nicht so schnell voran kommen wie auf den Landstraßen, stört niemanden von uns. Alle staunen nur über so viel Schönheit.
Schon sind wir wieder in der Zivilisation und fahren auf Fischbach zu, den letzten Außenposten der Zivilisation. Wir sind bei Km 48, und Mittagessen gibt's erst bei Km 104. Dazwischen ist der Pfälzer Wald hauptsächlich eins: Wald. In Fischbach laufen wir gleich den ersten Bäcker an, kaufen 5 Kaffee und zwei Torten und sind gerade fertig, als Gruppe 2 einrollt. Wir füllen noch die Flaschen am Dorfbrunnen und fahren Richtung Eselssteige weiter. Wie fast alle Straßen des Pfälzerwaldes hat sie keinen Mittelstreifen, und Autos sind eine absolute Seltenheit. Ich versuche mich daran zu erinnern, wie es 2011 hier war, als wir die Eselssteige schon einmal mit der Deutschland-Rundfahrt unter die Räder genommen haben. Es gelingt mir nicht. Aber die Abgeschiedenheit des Pfälzer Waldes ist hier greifbar.
Runter geht's auch eher sanft. Kein Grund für Morten, Fred, Bernd und Klaus nicht trotzdem richtig Abfahrtsfeeling aufkommen zu lassen. Mit viel Druck auf dem Pedal. "Das war mit Abstand der härteste Tagesabschnitt", freut sich Klaus, als wir in die kleine Gegenwelle einfahren. Nun haben wir den südwestlichsten Teil der Tour hinter uns gelassen und fahren Richtung Nordost, über Glashütte, Langmühle und Salzvoog. Ich bin etwas beleidigt, hier auf Zeichen von Zivilisation zu treffen, aber gastronomische Infrastruktur sucht man hier tatsächlich vergebens. Dann der wahre Kulturschock: wir treffen auf die B427, und tatsächlich haben wir es mal wieder mit Verkehr zu tun. Auch skurril: wir haben 80 km auf der Uhr, und Bad Bergzabern ist mit 25 km nach rechts ausgeschildert. Ein Lastwagen dröhnt eng hinter uns, überholt aber bis Hinterweidenthal nicht, wo nach 3 km der Spuk auch schon wieder vorbei ist.
Rechts, links, und wir befinden uns auf einem schmalen, brüchigen Asphaltband. "Ruine Gräfenstein 13 km" ist angeschlagen. Wieder ein sanftester Anstieg, komplett durch den Wald, der teils märchenhaften Charakter hat. Pinkelpause. Fred und Klaus fahren schonmal weiter. Bernd lässt auf sich warten. Einige Gruppen von Mountainbikern überholen uns. Denen wir ab nun hinterher setzen können, was mir bei 3 % und guten Beinen richtig Spaß macht. Eine Gruppe Pfadfinder mit Rucksäcken versperrt den Weg, und auf unser Rufen machen sie bereitwillig den Platz frei. Der eine dreht sich weg, und sein Rucksack versperrt die ganze Straße. So wenig Platz ist hier. Der Belag ist längst deutlich besser geworden, Rennradfahren macht hier richtig Spaß!
Am Hochpunkt suchen wir den Blick auf die Ruine vergebens, macht aber auch nichts, dieses Kleinod braucht keine Krönung. Nun sind es nur noch 10 km bis zum Campingplatz am Clausensee, der wunderbar in der Sonne funkelt. Die Abläufe am Campingplatz sind coronabedingt natürlich verzögert, und wir warten geduldig auf Kuchen und Flammkuchen. Unterdessen explodiert Mortens Hinterrad im Stand. Sehr gutes Timing! Wir finden keinen Dorn, aber das Felgenband ist verrutscht. Ich zücke ein neues aus dem Guiderucksack, und noch bevor die Flammkuchen ausgeliefert sind, ist das Rad wieder hergerichtet. Im Anstieg nach Leimen zieht Morten wieder davon wie ein Moped, aber in der Weiterfahrt zum Hermersbergerhof spielt Klaus seine Zeitfahrkünste aus und zeigt den alten Hasen wo der Bartel den Most holt.
Nun heißt es aufgepasst, denn die Aussicht über die Pfälzer Bollen, einige kegelförmige Berge, darf laut Peter nicht verpasst werden. Brav stellen wir uns zum coronakompatiblen Distanzshooting auf, und tatsächlich ist es ein toller Blick! Der uns sogar in die Gemütslage versetzt, am Hermersbergerhof noch einen Café zu trinken. Die Pfälzer Gemütlichkeit schlägt voll zu, und deutlich später als gedacht rollen wir mit Cola, Kaffee und Erdbeerbecher gestärkt in die letzte Abfahrt des Tages. Nun sind es laut Peters Tagesvorschau nur noch ein paar Wellen ins Hotel. Die wir wie üblich gekonnt weg drücken und uns zu Gruppe 2 auf der Hotelterrasse zum Schmutzbier gesellen. Wunderbare Pfalz!