16.08.2017,
majortom:
Tag fünf, Nizza rückt immer näher. Wir hatten erneut einen wundervollen Tag auf dem Rad, mit dem (zumindest im oberen Teil) sehr schönen Col de l'Iséran, der auch ohne den Superlativ des höchsten Alpenpasses mit herrlicher hochalpiner Landschaft zu überzeugen weiß. Zur Stunde harren wir des Essens in unserem Etappenort Aussois, die Stimmung ist hervorragend.
Am Morgen in Seez ist es im Schatten am Westhang deutlich kälter als auf dem Col du Grand Saint Bernard 24 Stunden früher. Aber es geht ja sofort in den ersten Hangstraßennupsi, so dass uns schnell warm wird. Anstelle der Abfahrt nach Bourg-Saint-Maurice und der Hauptstraße die Tarentaise hinauf haben wir uns abermals für die Hangstraße entschieden, die uns quasi verkehrsfrei, aber nicht höhenmeterneutral bis Sainte-Foy-Tarentaise führt. Dort müssen wir dann wohl oder übel auf die Hauptstraße, die zwar landschaftlich schön, aber auch entsprechend befahren ist. Augen zu und durch in die erste Hälfte des langen Anstiegs zum Col de l'Iséran. Mäßige Steigungen, doch der Respekt vor der sehr langen Passauffahrt überwiegt.
Etwas später haben wir das Flachstück entlang am Stausee unterhalb von Val d'Isère erreicht und können wieder aufdrehen. Vor den Tunnels und Galerien wurde gewarnt, tatsächlich ist es fast schon grandsaintbernardesk, der angenehmste Teil der Tour wird das hier nicht, aber was solls... jeder Kilometer bringt uns dem Höhepunkt des heutigen Tages näher. In Val d'Isère kehren dann Teile meiner entspannnten Gruppe für einen Kaffee ein. Zu meiner Freude treffen wir hier auch den alten quäldich-Forumshasen
Jörg, der mit Packtaschen schwer bepackt auf seiner eigenen Tour zum Mittelmeer unterwegs ist.
Einen Kilometer nach Val d'Isère schlägt dann bei einem Gruppenmitglied die Defekthexe zu. Kette total verbogen, was mir zunächst nicht allzu viele Schweißperlen auf die Stirn treibt, da unsere Guiderucksäcke mit Kettenschlössern ja bestens ausgestattet sind. Etwas später werde ich doch etwas nervös, nachdem ich festgestellt habe, dass das Kettenschloss mit dieser speziellen Marke nicht kompatibel ist. Letztendlich rettet uns ein Sportgeschäft in Val d'Isère, wo uns eine neue Kette fachmännisch montiert wird. Wir sind wieder en route, nur mit etwas mehr als einer Stunde Verzögerung unterwegs. Schweren Herzens gebe ich Erich und Moni den Marschbefehl, nicht auf unser Zwei-Mann-Grupetto zu warten, da sonst das Gepäck für die Sportiven zu spät am Hotel wäre. Der Foodblogger integriert dankenswerterweise den Rest der entspannten Gruppe in seine ausdauernde Gruppe.
Also zu zweit über die zweite Hälfte des Iséran. Doch trotz Verzögerung liegen wir noch gut in der Zeit, so dass wir den Anstieg entspannt angehen können. Die herrliche Landschaft mit wolkenlosen Montblanc-Blicken tut ihr übriges, die Motivation ist hoch, und selbst bei Ketten-Klaus kehrt das Lächeln schon bald zurück. Immer hochalpiner wird die Landschaft, und es kündigt sich jetzt schon an, dass man sich wie angesagt auf dem 2770 m hochen Iséran mit den umgebenden Gipfeln auf Augenhöhe wähnt. Ein hartes Stück Arbeit war es allerdings schon, da sind wir uns einig, als wir schließlich auf der Passhöhe stehen.
DIe Abfahrt ist wegen starken Windes und mittelmäßigen Straßenbelags keine reine Freude, aber immerhin ist es in Bonneval-sur-Arc schon wieder deutlich wärmer, so dass wir aufgrund des verpassten Monibuffets auf einen Crêpe einkehren. Lecker und gern genommene Kalorien, verspricht doch der Westwind in der Maurienne, dass auch die eigentlich flachen bis abfallenden Schlusskilometer nochmal ein Kampf werden. Zu zweit ist nicht viel mit belgischem Kreisel, und so ist das Tempo eher moderat. Der Col de la Madeleine wird wie geplant auf dem großen Blatt durchgedrückt (na ja, fast), die folgenden KIlometer bis Lanslebourg gibt es als Abfahrt geschenkt. Zäh wird es nochmals auf den letzten acht Kilometern hinauf in den Etappenort Aussois, doch auch diese werden letztendlich souverän weggequetscht. Auf zum Schmutzbier!
Weisheit des Tages:
"Le bonheur qu'on a, vient du bonheur qu'on donne."
(Edouard Irgendwer; stand heute morgen auf dem Frühstückstablett)
Grüße des Tages:
... gehen heute an Apfelstrudel-Jörg nach Lanslebourg. Viel Spaß auf deiner Tour!
Egotrip des Tages:
Ein auf eigenen Wunsch anonymes Gruppenmitglied hängt noch ca. 500 bis 600 Höhenmeter zum Stausee Plan d'Aval oberhalb von Aussois an. WIr würden ja "Chapeau!" sagen, aber wir wollen diesen egomanischen Angeber nicht auch noch in seiner Hybris bestätigen.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Ab Seez steigen wir mit der fünften Etappe auf die Route des Grandes Alpes ein und fahren über den Col de l'Iséran in die Haute-Maurienne.
Nur ein Pass steht heute wiederum auf dem Programm, aber der hat es so richtig in sich, handelt es sich doch beim Col de l'Iséran um den höchsten echten Alpenpass. Die Cime de la Bonette, die uns am letzten Tag erwartet, ist zwar nochmal ein paar Meter höher, aber sie ist eben kein echter Pass, und der Superlativ gebührt dem Iséran. Und man spürt auch irgendwie, dass dieser Pass etwas besonderes ist – während man auf anderen Pässen immer noch von höheren Bergen umgeben ist, wähnt man sich hier mit ihnen auf Augenhöhe. Auf einen langen Anstieg folgt eine lange Abfahrt, zunächst nach Bonneval-sur-Arc und dann dem Arc-Tal entlang. Nur zu unserem Etappenort, dem Skiort Aussois, müssen dann noch ein paar Höhenmeter überwunden werden.