Savoyen Relaxed 2017. Da es die erste Relaxed-Reise ist, die ich organisiert habe und leite, bin ich schon seit gestern sehr gespannt, was mich in dieser Woche erwartet. Zur Erinnerung: die Relaxed-Reisen haben etwas kürzere und etwas weniger höhenmeterreiche Etappen als unsere sonstigen Reisen, ohne aber auf unseren Markenkern zu verzichten: sportlicher Anspruch, schöne Strecken, namhafte Pässe und sensationelle Geheimtipps. Einen Vorgeschmack darauf, was mich erwartet, habe ich schon gestern beim Abendessen bekommen: eine sehr nette Gruppe mit enthusiastischen Rennradlern, vielleicht mit etwas weniger rasierten Beinen, Finisher-Tshirts und Jack-Wolfskin-Funktionshosen als sonst, dafür mit etwas mehr Ausdauer am Heineken-Zapfhahn. Ich freue mich auf die Woche.
Und ich freue mich darauf, wieder in Hochsavoyen zu sein, wo ich meine erste Wochenreise für quaeldich.de organisiert habe (2013 war das), und auch in Annemasse, wo ich vier Jahre lang gelebt habe. Merke: wer in Annemasse wohnt, findet hinterher keinen besseren Job mehr als quaeldich-Reiseorganisator...
Bei strahlendem Sonnenschein starten wir um etwa 9.30 Uhr in die Etappe. Ich voraus mit neun ausdauernden Teilnehmern, die die etwas längere B-Variante der Etappe anvisieren, und Otto und Denny kurz darauf mit der entspannten Großgruppe, die die kürzere A-Variante durchs Chablais fährt. Das Chablais, so viel geographischer Exkurs sei mir gestattet, ist das Bergmassiv südlich des Genfer Sees, das sich dadurch auszeichnet, dass von West nach Ost die Bergketten immer höher werden. Heute sind wir in West-Ost-Richtung unterwegs nach Cluses.
Zunächst geht es jedoch durch Annemasse und Ville-la-Grand - hier hätte ich eigentlich noch wissen müssen, dass da Sonntags Markt ist, was zur Folge hat, dass ich kurz illegalerweise entgegen der Einbahnstraße navigieren muss; entgegenkommende Fahrzeuge werden mit ausladenden Gesten auf die parallele Busspur gewiesen. Dann geht es entlang der Grenze zur Schweiz nach Norden. Hier bin ich bestimmt schon hunderte Male gefahren, die Standardstrecke aus Annemasse raus. Auf ruhigen Nebenstrecken kommen wir so nach Bons-en-Chablais, wo die Schonfrist endet.
Die Schonfrist endet mit dem Col de Saxel, den wir zum Auftakt ausgesucht haben, und der sich durch schöne Ausblicke über den Genfer See bis hin zum Jura auszeichnet. Sehr schön hier. Und überraschend schnell haben wir die acht Kilometer weggedrückt. Mit etwa 5 Prozent im Schnitt ist der Saxel auch kein großer Scharfrichter, aber die Euphorie ist definitiv in der ganzen Gruppe da. Oben planen wir nochmals die Mittagsverpflegung um, da klar wird, dass Thomas es auf keinen Fall rechtzeitig nach Boege am Fuß des Passes schaffen wird.
Also nehmen wir gleich den zweiten Anstieg in Angriff, der auf einer praktisch autofreien idyllischen Nebenstraße von Villard nach Ajon hinauf führt. Hier habe ich fantastische Montblanc-Blicke versprochen, der Blick in den immer mehr bewölkten Himmel lässt mich jedoch daran zweifeln, dass wir den höchsten Berg der Alpen zu Gesicht kriegen werden. 12 Kilometer später, als wir durch die schöne Weidelandschaft an der Passhöhe im Nirgendwo stehen, haben wir das schneebedeckte Massiv zwar gesehen, der Gipfel hängt jedoch in den Wolken. Seis drum, es ist schön hier. Nur etwas windig; als ich oben ankomme, hat sich die Gruppe schon in den Windschatten einer Hütte verzogen.
Kurze Abfahrt auf das Plateau de Plaine-Joux, wo es doch nicht zur Kaffeepause kommt, weil wir inzwischen die Nachricht erhalten haben, dass Thomas in Onnion steht. Eine gute Wahl, denn auf dem Plateau bläst der Wind inzwischen noch stärker, und unten ist es deutlich wärmer und angenehmer. Thomas, mit dem ich auf dieser Reise das erste Mal zusammen arbeite, dem jedoch sein guter Ruf als Versorger weit über die Stadtgrenzen von Dortmund hinaus voraus eilt, hat weder Kosten noch Mühen gescheut, um ein sensationelles Buffet aufzubauen. Chapeau!
Es kommt dann zu einer Teilnehmerrochade, und nur sechs Radfahrer plus Guide entscheiden sich für die B-Tour, die noch über den Col de la Ramaz führt. Ich bin ihn von dieser Seite noch nie gefahren und bin dementsprechend hochmotivert, das nachzuholen. Zunächst müssen wir jedoch noch im Carport unseres Vertrauens um Asyl bitten, da ein Gewitter durchzieht. Zehn Minuten Zwangspause, dann sind wir wieder im trockenen en route.
Der Ramaz ist ein wunderschöner Pass: zunächst geht es durch die üblichen Reblochon-Weidelandschaften, dann schraubt man sich am Hang zu einer Felsenge empor, und schließlich geht es durch ein Hochtal zur Passhöhe, wo - man lese und staune - sich der Montblanc plötzlich doch in all seiner Pracht präsentiert. Ein toller Moment! Dann kehren wir auf eine Kaffepause in Praz du Lys ein, genau rechtzeitig um die zweite Gewitterfront auszusitzen und uns von den leicht bekleideten Servicefachkräften mit Cappuccino und Orangina versorgen zu lassen.
Eine Abfahrt nach Taninges fehlt noch, unterbrochen durch eine nur erschwert zu passierende Baustelle. Dann bei Sturm und autobahnähnlichen Individualverkehrverhältnissen über den Chatillon-Nupsi und ab ins Hotel in Cluses. Extrapunkte für Thomas' Heineken-Lounge am Gepäckcruiser.
Morgen bekommen wir 14 Sonnenstunden. Wir freuen uns auf Col de la Colombière und Col des Aravis. Mit diesem Fazit verabschieden wir uns und geben in Gedenken an den Wellfleischgasthof Schmölzer zu Rothenburg zurück an die angeschlossenen Funkhäuser.
Weisheit des Tages:
"Savoie libre!" (häufig von lokalpatriotischen Guerilla-Bauern auf savoyardische Straßen geschrieben)
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Die erste Etappe führt uns ins Chablais, das Voralpengebiet südlich des Genfer Sees. Zwei Passauffahrten stehen auf dem Programm, von denen insbesondere der Col d'Ajon mit seinem Montblanc-Blick sehr lohnenswert ist.
Die erste Etappe ist zum Einrollen; man möchte sich und die Beine schließlich erstmal ans Pässefahren gewöhnen. Das Voralpenmassiv Chablais ist wie geschaffen dafür, um entpannt in die Woche zu starten. Von unserem Startort Annemasse aus fahren wir zunächst auf Nebenstraßen in nördlicher Richtung bis Bons-en-Chablais. Der Col de Saxel ist knapp unter 1000 m hoch, und steigt sehr sanft und gleichmäßig an, so dass man die schönen Ausblicke auf den Genfersee und die Jurakette dahinter so richtig genießen kann. Die anschließende Abfahrt führt nach Boëge ins Vallée Verte. Hier wartet auch gleich die zweite Prüfung des Tages, der Col d'Ajon, den wir auf einer praktisch verkehrsfreien Nebenstraße befahren. Das Montblanc-Panorama vom Ende einer kleinen Stichstraße ist vom feinsten. Es folgt eine schöne Abfahrt, die wildromantische Risse-Schlucht und schließlich noch ein paar flache Kilometer bis in den Etappenort Cluses.