10.08.2018,
majortom:
Es ist wieder Grand-Tour-Time bei quaeldich.de. Zum zweiten Mal nach Berlin-Venedig geht es auf große Reise; quer durch Frankreich soll uns die Tour führen, vom Rhein bis an den Atlantik. Der Titel der Reise, Freiburg-Bordeaux, wurde nun gestern endlich als die dreisteste Werbemasche des Jahres identifiziert. Bordeaux werden wir nämlich gar nicht sehen, dafür in der unmittelbaren Nähe von Bordeaux die höchste Düne Europas, die Dune du Pilat.
Doch bevor wir in die Berichterstattung einsteigen, muss ich erst noch einmal eine persönliche Anmerkung loswerden. Da es meine Grand-Tour-Reiseleiter-Premiere ist, bin ich ziemlich nervös angereist. Ich wusste zwar, dass ich mich auf die Streckenplanung verlassen kann (das kann bei quaeldich.de eh keiner besser als ich), aber was die Organisation im Hintergrund anbetrifft, das Material und die drei Begleitfahrzeuge, war es Neuland für mich. Umso erleichternder, dass ich bei der Ankunft in Freiburg überhaupt keinen Masterplan brauchte. Unser Helferteam bestehend aus der großartigen Sille, dem fantastischen Heinz und dem gutaussehenden Pascal nahm sofort alles in die Hände und schuftete noch bis spät in die Nacht, um alle Fahrzeuge sachgerecht zu beladen und auf dem verbotenen Busparkplatz abzustellen. Herzlichen Dank an dieser Stelle an euch drei!
Und so ging es heute Morgen los. Bei bestem Radfahrwetter, sonnig und nicht zu heiß. In der schönen Universitätsstadt Freiburg im Breisgau, für mich als Ex-Freiburger auch ein besonderes Vergnügen. Die Gruppen 1 und 2 haben wir zusammengelegt, damit auch die Hybridgruppe die Verbandrechte genießt und im Stadtgebiet die Radwege nicht benutzen muss. Es gibt zwar einige Navigationsschwierigkeiten am Anfang, aber diese werden souverän durch Alexanders Ortskenntnis ausgebügelt. Und weil es so schön läuft, bleiben die Gruppen auch noch zusammen. Flow kommt auf, als wir durch die Rheinebene cruisen - der Chef wäre stolz auf uns. Und am Horizont zeichnen sich die Ballons (Ballon d'Alsace und Grand Ballon) ab; das gestrige Gewitter hat uns heute klare Luft und gute Fernsicht hinerlassen. Links von uns die Gipfel des Schwarzwaldes, Schauinsland, Belchen, Hochblauen. Ein Rennradparadies hier, das wir leider nur streifen können.
Bei Fessenheim überqueren wir den Rhein. Ich habe kein Frankreich-Schild gesehen, und so müssen wir allein an den Rappel-Verkehrsschildern feststellen, dass wir nun in Frankreich sind. Das wir bis Arcachon auch nicht mehr verlassen werden. Das marode Atomkraftwerk verbirgt sich im Wald und trübt nicht die elsässische Idylle, und in Fessenheim-Ort warten Pascal und Sille mit der ersten Getränkeverpflegung. Coläle und Apfelschorle. Wir können uns Zeit lassen, denn wir liegen gut im Zeitplan. Als Gruppe 3 unter der Führung von René und Karin eintrifft, beginnen jedoch die ersten mit den Hufen zu scharren, und wir machen uns auf den Weg.
Bis zur D2 zwischen Ensisheim und Pulversheim. Das weiß ich so genau, weil ich den Besenwagen dorthin beordern musste. Der Schock: der erste Massensturz meine Guide-Karriere. Zu diesem Zeitpunkt fahre ich in der letzten Reihe, höre den Crash, bevor ich ihn sehe. Glücklicherweise stellt sich bald heraus, dass sich der Humanschaden auf Schürfwunden und Prellungen beschränkt (muss man wohl als Glück im Unglück bezeichnen). Der Materialschaden betrifft drei Räder, eines davon machen wir mit Hilfe eines Ersatzlaufradsatzes wieder flott. Trübt natürlich die Stimmung... nach gerade mal 50 Kilometern.
Den Großteil der Gruppe haben wir schon vorgeschickt nach Thann, wo wir die Mittagsverpflegung haben. Und so haben wir deutlichen Rückstand, den es aufzuholen gilt. Ich weise gleich zu Anfang darauf hin, dass ich wohl der limitierende Faktor in unserer Vierergruppe bin - dennoch nehmen wir ordentlich Fahrt auf. Drei Kilometer vor Thann streiche ich die Segel. Von Andreas erfahre ich kurz darauf, dass er zu diesem Zeitpunkt 300 Watt getreten hat. Also halten sich meine Minuspunkte wohl in Grenzen. Wir erreichen Thann, wo wir im Restaurant Engelbourg mit leckerem (ironiefrei) Coq au Riesling aka. Menu sportif versorgt werden. Trotz Massenansturm verlieren weder die Teilnehmer noch das Personal die Neven - danke!
Hier beginnt der zweite Teil der Etappe. War es bislang ausschließlich flach - 70 km, 6 Höhenmeter - geht es nun hinein in die Vogesen. Zunächst den "Quäl dich, du Sau!"-Pass Col du Hundsruck, auf der schönen Forststraße. Ein 400-Höhenmeter-Aufgalopp zum Ballon d'Alsace - an dieser Stelle herzliche Grüße an den Protagonisten von 1997, der (laut Alexander) wohl heute nicht so schöne Landschaft sieht wie wir... An der Passhöhe trennen wir dann endlich die Gruppen 1 und 2. Die Abfahrt nach Masevaux läuft schön, und ich navigiere uns auf den Doller-Radweg, der auch Gruppentauglich ist und uns das Tal hinauf in den Ballon-Anstieg hinein führt. Leider bläst der Wind das Tal hinunter und bremst uns etwas aus.
Am Ballon d'Alsace zolle ich dann meinem Trainingsrückstand Tribut und lasse mich zurückfallen - anders geht es nicht. Die Organisation der Tour (und der folgenden Reisen) hat mich in den letzten Wochen wohl doch zu sehr in Anspruch genommen. So bekomme ich dann aber immerhin auf die Gruppe 3 mal zu Gesicht, die uns von hinten auffährt. Mit letzter Kraft schleppe ich mich zum Ballon hinauf, und bin überwältigt von der Aussicht in Richtung Jura und Schwarzwald. Erst in der Abfahrt fällt mir dann ein, dass ich ja noch über das
Belchendreieck kulturklugscheissen hätte können. Was solls.
Wir verpflegen uns an der Passhöhe bei Pascal, dann stürzen wir uns in die Abfahrt. Nach Belfort geht es nur noch bergab bis tendenziell bergab. Weil uns René und Karin mit Gruppe 3 im Nacken sitzen, schlägt unser quäldich-Zeitfahrmeister Tortentom auf den letzten Kilometern ein hohes Tempo an. Das Hotel müssen wir fast ganz umrunden, um den Eingang zu finden. Macht nichts. Affligem in der Hotelbar. Jan würde sagen: YEAH!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Unsere Grand Tour beginnt in der schönen Universitätsstadt Freiburg im Breisgau im Südwesten Deutschlands. Von hier aus sind es nur etwa 25 flache Kilometer durch die Rheinebene, bis wir den Rhein überqueren und so nach Frankreich gelangen. Ins Elsass, genau gesagt, und wir fahren weiter in den endlosen Weiten des Oberrheingrabens, doch die Vogesen grüßen nun schon vom Horizont und kommen immer näher. Bei Thann haben wir das Mittelgebirge schließlich erreicht, und über den Col de Hundsrück - wo angeblich 1997 der berühmte Satz „Quäl dich, du Sau!“ fiel - arbeiten wir uns auf den Ballon d'Alsace vor, einen der bekanntesten Vogesen-Gipfel, der an schönen Tagen Fernsicht bis in die Schweizer Alpen bietet, auf jeden Fall aber bis in den Jura und den Schwarzwald. Von diesem Gipfel geht es nur noch hinab in die Burgundische Pforte, wo wir den Etappenort Belfort erreichen.