11.12.2017,
hagen306:
24.9.1999 – der Beginn einer großen Liebe
„Das ist der Gipfel“, denke ich mir bereits kurz hinter Güéjar-Sierra – auf knapp über 1.000m. Die ersten Kilometer von Granada hinauf fuhren sich ja wunderbar flüssig und Güéjar ist hübsch. Doch dann das: Von jetzt auf gleich steht ein Schild mit einer großen 22 und einem kleinen Prozentzeichen dahinter. Ich hab sportliche 42-26 gekettet. Die Auffahrt gleicht somit einem lustigen Lichterlöschen: Mein Blickfeld engt sich ein auf die 2,5m breite Straße, die sich durch die Kastanien ihren Weg auf die Sierra-Nevada-Hauptflanke bahnt. Noch ist genug Kraft in den Beinen – aber wenn das so weitergeht….
Dass dieser Anstieg einmal das Highlight einer
quaeldich-Reise rund um die Sierra-Nevada werden würde, ist mir gerade ziemlich egal. Was ich aber schon weiß: Die Sierra Nevada als Festlandspaniens höchstes Gebirge hält ein unglaublich abwechslungsreiches Rennradrevier bereit – inkl. dem Pico del Veleta als höchsten mit dem Rennrad anfahrbaren Punkt des Kontinents. Den ich natürlich in meinem Palmarès haben will. All das ist mir nun in den Rampen zum Hotel del Duque gerade ziemlich egal. Super Idee, einfach mal so 50km bergauf zu fahren.
Nach gefühlten Ewigkeiten wird die Straße mit 9% dann fast schon versöhnlich flach, ich schalte sogar mal 2 Gänge hoch. Zeit, hinunter ins Tal nach Güéjar zu schauen und noch weiter unten nach Granada, meiner geliebten Heimat auf Zeit.
Zwei goldene Regeln zum Rennradfahren in und um die Sierra hatte mir mein Kumpel Juani auf den Weg gegeben: 1. Fahre in Andalusien IMMER die kleinere Straße bergauf (dafür habe ich ihn eben verflucht) und 2. Du musst selten literweise Wasser mitschleppen, denn sowohl in den Orten als auch unterwegs findest Du IMMER saubere Quellen (und das auch im Hochsommer mit bis zu 45°C). Aber er hat so recht: Es ist hier hinten einfach nichts los und irgendwann kommt auch die Quelle zum Nachladen.
Kurz darauf fahre ich die alte Passstraße (Juanis Regel 1) hinauf – Nach der Kiefernzone ist sie einfach nur ein spektakulärer Balkon – so fühlt sich oben an. Aber ich bin gerade erst auf 2000m. Und nach oben kommt höher: Nach einer langen Linkskurve sehe ich diese Haifischflosse, den unverkennbar höchsten Punkt vor dem stahlblauen Himmel: Der Veleta. Ok, erst einmal weiter im Rhythmus, entlang einer Bergschulter im nunmehr komplett offenen Gelände geht es stetig bergan.
Auf 2500 m ist dann die Straße gesperrt – aber nur für Autos. Noch ein kurzes Stück und ich habe die Virgen de las Nieves erreicht. Wenn es einen ganz speziellen und mystischen Ort in dieser epischen Kletterpartie gibt, dann ist es diese Steinpyramide mit der schneeweißen Granadiner Schutzpatronin obenauf. Für das kommende Jahr wird sie mindestens 1-2x in der Woche mein Fixpunkt – und Schutzpatronin - im Bergtraining werden: Hochpunkt, Aussicht, Stille atmen, und sich hinunter in die Abfahrt nach Granada stürzen. – Denn was nun oberhalb folgt, ist wirklich speziell: eine Straße durch Geröll- und Schieferbrocken und das Skigebiet. Nicht supersteil, aber konstant nach oben. Irgendwann fehlt der Asphalt: 1km vor Schluss heißt es, die Crossfähigkeiten zu nutzen und durch den Schotter bis zum Gipfel zu keulen. OBEN!!!
Die alte Wetterstation am Gipfel verfällt, der Blick schweift nach Süden hinunter in die Alpujarras – mit einem MTB würde es da jetzt auch weitergehen. Aber nein, für heute ist es genug – es wartet eine gigantische Abfahrt nach Granada auf mich. Wieder unten in der WG meint Paco, auch mal dort hoch zu fahren. Jaja, alles klar (Paco ist das letzte Mal vor 5 Jahren mehr als 10km mit dem Rad gefahren).
Irgendwann in 2014
Es hat satte 14 Jahre gedauert, bis ich wieder hier bin. Es gibt eine quaeldich.de-Sierra-Nevada-Umrundung mit 9 Etappen im Programm. Wird alles noch so sein wie damals? Der geringe Verkehr? Die völlig verschiedenen Landschaften von staubtrocken bis sattgrün? Von Kiefern bis zu den Mispelplantagen? Die Temperaturen von sommerlich warm bis leicht herbstlich? Der Veleta mit seinem epischen Anstieg? Die coolen Bars und Bodegas in jedem noch so kleinen Dorf? Ja, ja, ja, ja, ja und ja!!
Oktober 2017 – Die Sierra-Rundfahrt 2.0.
Die Sierra Nevada ist ein Rennradmärchen – sie hat nur die beste Tour verdient. Also denken wir die Rundfahrt noch einmal neu: Von Málaga kommend das Warm up durch ein paar Mittelgebirge. Über die legendäre Carretera de la Cabra hinauf nach Granada, von dort hinauf zum Veleta und zwei Nächte voller tapas und tinto ;-), nach den Höhlenwohnungen von Guadix die Kletterschlacht über Ragua und Chaleco mit Bergankunft im Schinkendorf Trevelez. Eine Bodega im Nirvana. Und die Schussfahrt zurück nach Vinuela. Ein paar Sierras mehr, ein paar Berge mehr, und auch an der Hotelschraube drehen wir noch ein wenig.
Ich habe nicht gezählt, wie oft ich mittlerweile oben auf dem Veleta war, wie oft ich vom Schinken in Trevélez genascht, wie oft ich den Alpujarras-Flow genossen habe. Meine größte Freude aber bleibt: Rennradlebensträume zu erfüllen, zu sehen, wie sich oben auf dem Veleta die Siegerfäuste ballen und der Berg ins Palmarès eingetragen wird.
Das 22%-Schild hinter Güéjar ist mittlerweile weg und ganz oben am Veleta die Straße zu großen Teilen neu asphaltiert. Eines aber ist verlässlich: dieser magische Moment, wenn es an der Virgen de las Nieves vorbei in Richtung Veleta geht. Das nächste Mal
ab 29.9.2018 bei der Sierra Nevada-Umrundung!