06.07.2015,
Reinhard:
Die heutige Etappe führt uns von Bad Sachsa nach Oberhof. Somit befahren wir heute nach Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt das fünfte Bundesland auf unserem Weg von Flensburg nach Garmisch.
Einer alten Tradition folgend verbringe ich heute die Etappen in allen Gruppen: der Start erfolgt in Gruppe 6, die als erstes losfährt, um nicht schon am Start 25 Minuten Rückstand zu haben.
Das gestrige Gewitter hat für ordentlich Abkühlung gesorgt, und so frösteln wir leicht, als wir uns vor dem Vitalhotel in Bad Sachsa zum Start versammeln. Ein Sommertag, wie wir ihn nur wünschen können, liegt vor uns, und dazu die mit 140 km und 1600 Höhenmetern kürzeste Etappe der Rundfahrt. Entsprechend super ist die Stimmung in Gruppe 6, die von Otto und Ingo in ruhiger Manier geführt wird. Bald jedoch muss ich die Gruppe verlassen, da Gruppe 1 von hinten heranjagt, der ich mich bis zur ersten Getränkeverpflegung anschließe. Bald schon stehen wir am Straßenrand, um eine Trinkflasche aufzulesen. Kurz darauf stehen wir am Straßenrand, um einen Kettenschaden zu beheben. La Ola für Gruppe 6, die wieder die Führung übernimmt. Ich beginne mich zu rechtfertigen: "Kann ja nicht sein, dass immer Gruppe 2 unter meinem schlechten Karma leiden soll."
Dann nehmen wir aber endlich Fahrt auf, und Gruppe 6 spendiert uns die Gegenwelle kurze Zeit später. In diszipliniert rasanter Manier erreichen wir den ersten Anstieg, an dessen Gipfel die erste Getränkeverpflegung wartet. Wie fast alle Anstiege wird auch dieser im geschlossenen Verband gefahren. Das Tempo ist demnach gemäßigt, und kurz vor dem Gipfel sticht Stefan vorbei, der stärkste Mann aus Gruppe 2. Unruhe macht sich in Gruppe 1 breit. Rufe nach Kai werden laut. "Schnapp ihn dir!" Kai zögert noch. Die Herausforderung scheint ihm zu gering. Fast schon hat Stefan die Verpflegung erreicht. Jetzt geht Kai. Hinten raunt einer: "Nen Fünfer auf Kai." Aber keiner geht die Wette ein. Jubel brandet auf, als Kai als Erster die Verpflegung erreicht. Alle anderen fahren brav im Verband weiter.
Die Verpflegung liegt schön schattig am Waldrand an einer Kreuzung, die vorbildlich von den Waterboys Daniel und Sascha überwacht wird. Hier lasse ich schweren Herzens meine Gruppe 2 vorbei ziehen, in der Alexander, Stefan, Roberto und Zbig meine Guide-Rolle am Kopf der Gruppe übernehmen, während Spaghetti-Jan wie immer die Gruppe nach hinten absichert.
Hier schließe ich mich nun Gruppe 3 an, die die nächsten vier Rampen mit erstaunlichem Druck erklimmen. Ich schwöre: ich war's nicht, ich war in Reihe 6! An der Pinkelpause werden deutliche Worte gefunden, und ab da fährt die Gruppe wieder so entspannt wie vor meinem Dazustoßen. Langsam beginne ich an meinem Plan zu zweifeln. Ich scheine den Gruppen, die ich besuche, kein Glück zu bringen. Bis zur Hauptverpflegung am Rewe in Bad Tennstedt läuft es nun aber vornehmlich abfallend und richtig flüssig.
An der Hauptverpflegung warte ich auf Gruppe 4, die von majortom in gewohnter Manier auf die mystischen Präsenzfolgen des Chefs vorbereitet wird, und so gelingt es mir erstmals heute, eine Gruppe nicht bei ihrer Weiterfahrt zu stören. Was sehr gut ist, denn die Strecke ist wunderschön und wird immer schöner. Die zwei folgenden Wellen nimmt Gruppe 4 ruhig und souverän. Die Verbandsfahrt (in perfekter Zweierreihe) wird erst mit der Freigabe zur Fahnerschen Höhe beendet. Kurz darauf treten wir aus dem Wald heraus, und die Ausblicke auf die Thüringische Tiefebene mit der Silhoutte des Thüringer Waldes im Hintergrund wird mit Begeisterungsrufen quittiert. Jetzt folgt Flow, Flow, Flow und gute Stimmung im Schatten der Drei Gleichen bis zur Getränkeverpflegung am Sportplatz vor Haarhausen, wo der Etappenplaner
Reinhard mit Manu und seiner neugeborenen Tochter auf uns wartet und den mehr als verdienten Jubel von Gruppen 4, 5 und 6 für diese sehr schöne Etappe entgegen nimmt. "Aber das Schönste kommt doch erst noch!" Na, das verspricht ja Einiges.
Gruppe 6 zieht weiter, und nun bahnt sich Gruppe 5 den Weg durch die Gerstenfelder zur Getränkeverpflegung. Mit lautem Hallo werden Paul und Gabi begrüßt, und nach einer ausgedehnten Verpflegung breche ich mit Gruppe 5 auf den letzten Etappenabschnitt auf. Schnell erreichen wir Arnstadt und damit das Jonastal, dem wir leicht ansteigend bis Crawinkel folgen. Der Verlauf der nur gerade zweispurigen Straße ist herrlich und verläuft teils im Wald, teils im Schatten von Sandsteinfelsen. Dieser Abschnitt ist wirklich wunderbar, und Gruppe 5 nimmt ihn entspannt und bester Laune in gleichmäßigem Rhythmus. Das macht richtig Spaß!
Hinter Crawinkel beginnt der freigegebene Schlussanstieg nach Oberhof, auf dem sich die vorher so homogene Gruppe schnell in Splittergruppen und Einzelkämpfer aufteilt.
Bald darauf klatschen wir uns am Treffhotel Panorama Oberhof ab, und lassen den noch frühen Nachmittag mit den draußen ausgeschenkten Bieren mit und ohne Alkohol ausklingen.
Nach dem Abendessen spricht Besi noch vor fast komplett versammelter Mannschaft über seine Lebensgeschichte und sein daraus resultierendes Projekt
Rad statt Rollstuhl, das allen quaeldich-Freunden herzlich empfohlen wird!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Die kürzeste Etappe der Tour darf als Transferfahrt vom nördlichsten deutschen Mittelgebirge zum Thüringer Wald und der Kette sich anschließender Gebirge aufgefasst werden. Ganz ohne Höhenmeter kommen wir aber auch heute nicht ans Ziel.
Nach der Überquerung des Harzes am Vortag können wir uns auf den ersten 25 km noch sanft einrollen. In Bleicherode kommen wir kurz auf Tuchfühlung mit dem industriellen Charme des jahrzentelangen Kalibergbaus, bevor sich wenig später die Hainleite in unseren Weg stellt. Der Höhenzug verursacht den ersten der drei erwähnenswerten Anstiege des Tages.
Auf den folgenden, leicht welligen 50 km durchqueren wir Nordthüringen auf kürzestem Wege und nehmen Kurs auf die Fahnersche Höhe nordwestlich von Erfurt. Nach Überwinden ihrer steilen Nordflanke und Verlassen des Waldes dauert es nicht lang, bis wir, inzwischen westlich der thüringischen Landeshauptstadt, den Thüringer Wald und damit auch unser Tagesziel erstmals in seiner ganzen Größe vor uns ausgebreitet sehen. Auf der Weiterfahrt nach Arnstadt passieren wir die Wachsenburg als östlichste der Drei Gleichen und beginnen wenig später den 24 km lang gezogenen Schlussanstieg nach Oberhof. Zunächst rollen wir noch kaum ansteigend durch das idyllische und geschichtsträchtige Jonastal und sammeln unsere Kräfte für den knackigen Abschnitt zwischen Crawinkel und der Wegscheide kurz vor Oberhof, wo uns die höchstgelegene Übernachtung der Rundfahrt (815 m) erwartet.